Mit Zuversicht altern

Die Dominikaner des Seniorenkonvents Heilig Kreuz: (hintere Reihe) Gabriel Hirth OP, Victor Gisbertz OP, Gerfried Schumacher OP, Bernhard Hesse OP, Gerfried Bramlage OP; Gottfried Michelbrand OP. (Vordere Reihe) Rufus Keller OP, Franz-Georg Schröder OP, Günther Hallerbach OP, Manfred Gerigk OP. David Kammler OP (leider nicht mit auf dem Foto) gehört ebenfalls zur Kommunität.

Eine positive Lebenseinstellung macht im Alter vieles leichter

Seit 2021 berichtet kontakt, das Magazin der Dominikaner in Deutschland und Österreich, im Gespräch mit den älteren Brüdern des Konvents Heilig Kreuz von ihrer weitsichtigen Entscheidung, gemeinsam in ein Seniorenhaus umzuziehen und dort als Kommunität weiterzuleben. Hier geben vier Dominikaner ihre Erfahrungen aus der neuen Lebenssituation weiter.

P. Gerard Timoner OP, Ordensmeister der Dominikaner, bemerkte einmal: „Es wird oft gesagt, dass die jungen Mitbrüder die Zukunft sind. Ich glaube im Gegenteil, dass unsere älteren Mitbrüder die Zukunft sind. Auf jeden Fall unsere Zukunft, denn wir werden hoffentlich alle einmal alt sein.“ Vier Dominikaner berichten im Folgenden von ihren Erfahrungen mit dem Altern. Sie möchten den Blick für ein theologisches Verständnis dieses Lebensabschnittes öffnen, für eine Zuversicht, die mehr ist als eine rosarote Brille. Dafür, dass selbst im Schwinden der Kräfte das Leben noch als ein Werden und nicht als ein bloßes Vergehen erfahren werden kann.


P. Bernhard Hesse OP

In jungen Jahren ist Pater Bernhard durch Europa geradelt. Heute hat er mit dem virtuellen Radtrainer ein neues Hobby für sich entdeckt und erkundet die ganze Welt.

Pater Bernhard ist 78 Jahre alt. Im Jahre 1964 trat er in den Dominikanerorden ein und widmete sich über 40 Jahre der Behinderten- und Krankenseelsorge, u.a. in der Psychiatrie. Mitte 2022 zog er mit neun Mitbrüdern in das Kölner Seniorenhaus St. Maria. Im ersten Jahr musste er sich an manches neu gewöhnen, sei es an die Versorgung durch das Seniorenhaus, sei es Vorgegebenes mitzubeten oder für sich und andere zu akzeptieren, dass man sich in diesem Alter kaum noch wesentlich ändert. Seine Sehfähigkeit nimmt stark ab und es beschäftigt ihn die Frage, wie er sein Leben konkret weiter gestalten kann.

Dennoch wolle er nicht noch mal jung sein. „Junge Menschen beneide ich nicht. Ich lebte ja lange in einer Zeit, in der es mehr Hoffnung gab als heute. Im Kontext des 2. Vatikanischen Konzils traten befreiende Erfahrungen und Gedanken hervor. Liturgisches Feiern wurde kreativ und lebendig.“ Die Seelsorge in der Psychiatrie und vor allem das Mitleben in der Bonner Basisgemeinde seien heilsam gewesen, u.a. für ein neues Rollenverständnis von Leitung und selbstverständlicher Ökumene.

Diesem Weg entspräche die innere Entwicklung von der kindlichen Sorge um die „heiligmachende Gnade“ oder „ob man in den Himmel kommt“ über heilsames Loslassen und Sich-Einlassen auf neue Erfahrungen. Pater Bernhard: „Manche Sorge löst sich auf. Ich muss niemanden zu meinem Weg bekehren und kann die Sorge fahren lassen, ob ich allen Menschen gerecht geworden bin. Ja, auch die Sorge um meinen endgültigen Platz möchte ich getrost Gott überlassen. Vielleicht nennt man das Zuversicht – oder Hoffnung.“


P. Victor Gisbertz OP

Pater Victor hat drei Geschwister, 20 Neffen und Nichten. Gemeinsam unternehmen sie Ausflüge in und um Köln.

Als Zwanzigjähriger ist Pater Victor 1962 in den Orden eingetreten und hat über 40 Jahre als Krankenhausseelsorger und Referent gearbeitet. Den geplanten Einzug ins Kölner Seniorenhaus St. Maria empfand er als eine Chance, ein Privileg. „Doch als es dann im Jahr 2022 soweit war, bekam ich einen Schreck“, sagt er. „Und das, obwohl ich bereits mit 30 zum Thema ,Vorbereitung auf die Pensionierung‘ referiert hatte und im Bonner Malteserkrankenhaus Seliger Gerhard, der heutigen Helios-Klinik, mit meinem Mitbruder Gottfried Michelbrand bundesweit eine der ersten Geriatrie-Stationen mitgegründet habe.“

Täglich ist er bei seiner Arbeit im Krankenhaus mit dem Altern konfrontiert gewesen, hat viele Schicksale, viel Leid gesehen. Nun selbst auf dieser Seite zu stehen, daran habe er sich erst gewöhnen müssen. „Gottvertrauen hilft mir da weiter“, bekräftigt er. „Ich fühle mich getragen und geborgen. Ich denke, dass es im Leben wichtig ist, seine Potentiale, seine Möglichkeiten zu sehen.“ Auch, wenn diese im Alter weniger selbstbestimmt und mehr sozial-ökonomisch vorgegeben seien.

Pater Victor erinnert sich an eine seiner Tanten, die über 20 Jahre nicht mehr ihr Zimmer verlassen konnte und ihn dennoch immer mit einem Lächeln begrüßt habe. Das habe ihm stets imponiert. „Man muss mit dem Bestehenden respektvoll zurechtkommen und nicht darüber jammern, was man verloren hat, was nicht mehr geht. Auch im Alter habe ich das Potential, anderen Freude zu bereiten“, unterstreicht er.


P. Günther Hallerbach OP

Pater Günther liest jeden Tag die Zeitung, macht kleine Spaziergänge und erfreut sich an den sozialen Angeboten des Seniorenhauses. Hierbei hat es ihm besonders das Gedächtnistraining mit Haushund Leila und das Kegeln „Fit für alle Neune“ angetan.

Wir möchten den Blick öffnen
für eine Zuversicht, die mehr ist
als eine rosarote Brille. Dafür,
dass selbst im Schwinden der
Kräfte das Leben noch als ein
Werden und nicht als ein bloßes
Vergehen erfahren werden kann.

Auch Pater Günther berichtet von einer Tante, die ihn mit ihrer positiven und disziplinierten Lebenseinstellung stark geprägt hat. „Gemeinsam den Rosenkranz zu beten während der Luftangriffe im 2. Weltkrieg, das hat Kraft geschenkt“, erinnert er sich.

Mit 90 Jahren ist er einer der ältesten Dominikaner im Kölner Seniorenhaus der Cellitinnen. 1953 in den Orden eingetreten, war er tätig in der Predigt- und Beichtseelsorge. Weiterhin begleitete er geistlich Schwester- und Priestergemeinschaften.

Nach 40-jähriger Tätigkeit im Wormser Ausbildungskonvent zog er im April 2023 zu seinen Mitbrüdern in das Seniorenhaus St. Maria. „Belastungen jedweder Art gehören zu meinem Leben – in jungen Jahren wie auch im zunehmenden Alter. Aber die Kunst des Alterns besteht darin, dankbar zu sein für jeden Tag, für all das, was ich erfahren habe und erfahre, durch Gottesführung, durch Mitmenschen, durch Mitbrüder. Das gibt mir die Kraft, mit äußeren und inneren Belastungen zuversichtlicher umzugehen.“

Und, wenn er dennoch mal traurig sei, dann helfe es ihm, sich mal still hinzusetzen und in den Himmel oder in eine Baumkrone zu schauen. Gelassenheit, Humor und Zuversicht – diese Mischung finde sich auch in Adenauers Aufforderung, nicht zu pingelig zu sein und die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. „Denn andere jitt et niet!“ Diese Lebensweisheit habe er sich zu eigen gemacht.


P. Gottfried Michelbrand OP

„Die Hilfsbereitschaft hat sich
seit dem Umzug noch einmal
immens weiterentwickelt.
Es ist so wichtig, Gebrechen
und Krankheit in der Gemeinschaft
aufzufangen.“

Pater Gottfried ist Prior der Ordensgemeinschaft im Kölner Seniorenhaus St. Maria. 1947 geboren, trat er mit 21 Jahren in den Orden ein. In den Folgejahren baute er mit Pater Victor die ehemalige Duisdorfer Gaststätte Waldschlösschen, die schon seit den späten 60er Jahren als Schulungsheim für eine katholische Jugendorganisation genutzt wurde, in ein Seminar- und Schulungszentrum zur Förderung der Krankenhausseelsorge aus.

„Abschied habe ich von frühester Kindheit an gelernt“, antwortet Pater Gottfried auf die Frage, wie schwer es ihm gefallen sei, den Ort seines jahrzehntelangen Wirkens im Jahr 2020 zu verlassen. „Aber diesmal war es ein unheimlich schmerzhafter Prozess, der mich ein halbes Jahr sehr traurig stimmte: Reduziert in allem, was ich hatte. In meiner Wohnsituation, in meinen Aufgaben, in meinem Freundeskreis. Im Grunde von 100 auf fünf Prozent.“

Überwunden habe er die Traurigkeit u. a. durch Supervision. Er habe gelernt, nach vorne zu schauen und
nicht mehr auf das zu blicken, was er nicht mehr habe. „Ich habe ein sehr vertrauensvolles Gottesbild. Das habe ich von meinen Eltern übernommen. Sie waren gute Christen und haben das uns Kindern vorgelebt.
Das habe ich verinnerlicht. Es hilft mir sehr, mein neues Leben anzunehmen“, beschreibt er.

Zudem fühle er sich körperlich sehr fit und stark. Das sei ein großes Geschenk. „Ich habe gelernt, mit Veränderungen als Herausforderung umzugehen“, sagt er. Hierbei helfe auch die Gemeinschaft. „Wir unterstützen uns gegenseitig, wenn jemand z. B. sein Brötchen nicht mehr allein schmieren kann oder das Trinken schwerfällt. Die Hilfsbereitschaft hat sich seit dem Umzug noch einmal immens weiterentwickelt“, lobt er die Mitbrüder. „Es ist so wichtig, Gebrechen und Krankheit in der Gemeinschaft aufzufangen. Sei es durch ein liebes Wort oder durch Ermutigung. Es darf nicht sein, dass sich Mitbrüder innerlich zurück-ziehen, weil sie z. B. nicht mehr den Einsatz beim Chorgebet hören oder Gesprächen nicht mehr akustisch folgen können.“ Er sieht es als eine seiner Hauptaufgaben, hier sehr wachsam zu sein, zu relativieren, alles im Gleichgewicht zu halten.

Jung möchte auch er nicht mehr sein. Und er rät jungen Menschen, an einem zufriedenen Leben zu arbeiten, „dass man sich nicht als Verlierer fühlt. Umso mehr, als dass sich Probleme körperlicher und geistiger Art im Alter anhäufen. Wir dürfen nicht nur hoffen, sondern dürfen zuversichtlich sein, dass Gott für jede und jeden von uns einen guten Plan hat. Und dürfen darauf vertrauen, dass er uns auch auffängt, wenn wir seine Wege und Pläne nicht verstehen.“


 

WENN DAS ALTER ZUR LATST WIRD
WENN DAS ALTER ZUR LAST WIRD
«Das ist aber ein schönes Alter», sagen viele. Herr, ich erschrecke über diesen Wunsch, und vertrauen zu dürfen,
Und doch, Herr, Du weißt, es gibt denn – Du weißt es ja – ich hänge doch wenn Dunkelheit und Ängste mich
Tage, da ist es gar nicht mehr schön, so am Leben! niedergedrückt haben.
alt geworden zu sein. So bitte ich Dich um die Kraft, Und schließlich bitte ich Dich
Wenn die Leiden und Beschwerden die Tage meines Alters besser um die Kunst,
zunehmen, meistern zu können. mich an den kleinen Schritten zu freuen,
wenn das Aufstehen mühsamer Ich bitte Dich um die Kraft, wenn die großen Schritte
und die Schritte langsamer werden, geduldiger zu werden nicht mehr möglich sind.
wenn die Ängste sich vermehren und ohne Verbitterung, das anzunehmen, Herr, wie viele Male schon in meinem
und die Einsamkeit sich einstellt, was auf mich zukommt. langen Leben durfte ich erfahren,
wenn ich spüren muss, dass es nicht Ich bitte Dich um die Kraft, dass Du zu mir stehst und mir hilfst.
mehr so einfach geht wie früher, mit mir und meinen Mitmenschen Nie hast Du mich fallen gelassen –
dann können sie eine Last sein, versöhnter umzugehen. warum sollte es jetzt anders sein?
diese Tage meines Alters Ich bitte Dich um die Kraft, Meine Zeit, Herr, liegt in
Eine schwere Last sogar. die Dinge loszulassen, Deinen Händen.
Und wenn die Tage so mühsam sind, auf die ich verzichten muss. Auch meine alten Tage? Ja, auch sie!
dann spüre ich manchmal auch den Wunsch, Ich bitte Dich um die Kraft, So lass sie für mich zum Segen werden.
alles möge doch bald ein Ende nehmen. von neuem hoffen Und lass auch Freude mit dabei sein,
und Dankbarkeit, und Frieden.
Alfons Gerhardt